Paragenesen bzw. Assemblages
Seit ich krabbeln kann und nach den Glitzersteinchen suche geistert ein Begriff durch die Münder aller Mineralinfizierten: Paragenese.
Mit Paragenese meinten wir eigentlich immer die miteinander vorkommenden Minerale auf einer Stufe. Eigentlich ist das falsch, denn das Wort Paragenese heist übersetzt so etwas wie "was nacheinander entstanden ist". Gemeint ist also die Mineralabfolge auf einer Stufe.
Die englischsprachigen Mineralogen benutzen lieber das Wort "assemblage", was frei übersetzt werden kann mit "was zusammen auf der Stufe vorhanden ist". Da das Wort assemblage aber für uns deutschsprachige Steinläuse etwas sperrig ist, will ich hier wider besseren Wissesn das Wort Paragenese ersatzweise verwenden ... zumal es sich fest eingebürgert hat.
Ok, welche Paragenesen gibt es im Ruhrgebiet?
Wir können grob sechs verschiedene Paragenesen unterscheiden.
1. Die primäre Erzmineralfüllung in den Sprüngen
Wie schon erwähnt geben die Sprünge und andere große Rissysteme den notwendigen Platz zur Ausscheidung der Erzmineralfracht der Sohlen. Dementsprechend sind die Mineralinhalte auch relativ einfach gestaltet: Quarz, Calcit, Baryt, Siderit, Fe-Sulfide, Galenit, Sphalerit, Chalkopyrit und einige andere für Erzgänge typische Mineralien.
2. Die sekundären Mineralien der Erzfälle in den Sprüngen
Diese Paragenese ist zwar recht reich an verschiedenen Mineralien, doch sind die Kristalle immer winzig klein und zudem höllisch selten. Diese hier aufzuzählen wäre ein wenig zu lang, daher seien nur einige wenige Vertreter genannt, wie z.B: Anglesit, Cerussit, Cottunit, Phoshenit, Hydrocerussit, Hydrozinkit,usw. usw.
Diese Bildungen kamen in 99.9% von den Erzgängen der Zeche Christian Levin in Essen, Graf Moltke in Gladbeck und Auguste Viktoria in Marl.
3. Carbonatische Mineralisationen in Spalten des Deckgebirges.
In vielen Sandsteinschichten sind gebietsweise unzählige Risse gebildet worden. Diese im Gegensatz zu den Sprüngen kleinen Kluftsysteme zeichnen sich vor allem durch die Gegenwart von Dolomit und Ankerit aus. Quarz als jüngste Bildung ist verbreitet und gelegentlich tritt auch Calcit häufiger auf. In diesen Kluftsystemen sind vor allem die Fe-Sulfide Pyrit und Markasit sowie Chalkopyrit verbreitet. Seltener treten hier Ni-Silfide wie Millerit und Linneit/Siegenit hinzu. Und noch etwas seltener werden Sphalerit und Galenit beobachtet. Baryt ist hier ungewöhnlich selten, kann aber lokal häufiger vorkommen.
4. Toneisensteinknollen
Manche Gesteinslagen beinhalten relativ viele Toneisensteinknollen, die oft Schrumpfungsrisse aufweisen. Da hier Platz zur Mineralabscheidung vorhanden war, kristallisierten dort auch eine Reihe typischer Minerale. Besonders der Quarz ist hier hervorzuheben, da er hier relativ große (bis mehrere cm) freistehende Individuen bilden kann. Daneben treten die gleichen Mineralien wie unter 3. beschrieben auf, mit dem Unterschied, das Galenit noch seltener ist und die Carbonate stark zurück gedrängt erscheinen. Die Hauptlast der "Gangarten" liegt auf dem Quarz und Baryt.
5. Sekundärbildungen durch Verwitterung von Pyrit/Markasit
Gerade manche eher unbauwürdigen Kohleflöze beinhalten eine relativ große Menge von Pyrit und oder Markasit. Diese Mineralien zeigen sich häufig entweder durch Einsprengungen größerer (im cm³-Bereich) massiver Aggregate oder durch zahllose dünne Häuchen auf den Spaltflächen der Kohle. Durch die Bewetterung der Grubenbaue kann es an einigen Orten zur Oxidation der Fe-Sulfide in stehen gebliebenen Resten der Kohle kommen. Tritt nun noch eine geringe Feuchtigkeit auf (zuviel Wasser schwemmt die Neubildungen weg) bildet sich Schwefelsäure und in dessen Folge Sulfate. So kam es gerade in alten, abgeworfenen Abbauen und Strecken zur Kristallisation einer artenreichen Paragenese aus u.A. Sideronatrit, Halotrichit, Römerit, Copiapit, Metavoltin, Tamarurgit usw.
Diese Mineralien sind eigentlich nur aus ariden Gebieten bekannt, doch zeigt sich immer wieder das verwitternder Pyrit unter Einfluß geringer Feuchtigkeitsmengen diese Mineralien bilden kann. Der gefürchtete Zerfall vieler Pyrit und Markasit-Stufen aus Vorkommen der ganzen Welt ist typisch für diesen Prozess. Es kann also durchaus sein, das sich diese Mineralien gerade in ihrem Keller bilden.
Eigentlich sind nach strenger Definition diese Mineralien antropogen, also durch den Menschen beeinflusst entstanden, und damit keine richtigen Mineralien.
Ich handhabe das so: Kommen diese Mineralien aus der Grube, so sind das für mich Mineralien, denn diese bilden sich auch, wenn durch natürliche Rissbildung die notwendigen Bedingungen entstehen. Nur können wir diese dann weder sammeln noch anschauen. Dazu müssten wir erst einen Stollen zu der Stelle wo diese Mineralien entstehen buddeln. Und dann ganz fix absammeln, denn sobald neue Kristalle entstehen wären die wieder antropogen. Diese Situation ist doch unsinnig. Also betrachte ich die Kristalle die in alten Grubenbauen entstanden sind als echte Mineralien, denn wer den "Riss" erzeugt hat, das ist doch den Kristallen wurscht. Aber sie entstehen am Ort ihrer Pyrite!
Meine wahnsinnig tollen Ausblühungen von Pyriten in meinem Keller sind dagegen etwas anderes. Hier habe ich eigentlich erst die Bedingungen erzeugt. Läge der Pyrit in meiner Garage, wären alle Sulfate weggeschwemmt worden. Im Keller ist es aber perfekt. Nun gut, ich habe das ja nicht absichtlich gemacht, dennoch habe ich durch die Ortsverlagerung der Pyrite von der Kohle hin in meinen Keller dafür gesorgt das der Prozess starten kann. Irgendie ist diese Argumentation immer noch nicht befriedigend, aber es sträubt sich alles in mi, all die verottenden Stufen in Garage, Keller oder Schuppem als natürliche Mineralbildungen anzuerkennen.
Anders ausgedrückt: Wenn ich meine tollen Halotrichitausblühungen in ein Döschen klebe und dann als Fundort die Zeche aus denen die Pyrite stammen angebe, dann wäre das ja gelogen, denn der Pyrit mag da dentstanden sein, die Halotrichite aber definitiv nicht. Also antropogen.
6. Haldenbrandmineralien
Kohlereste im Haldenmaterial haben eine Unart an sich: falsch auf die Halde geschüttet quitieren sie dies mit spontaner Selbstentzündung. Diese Eigenart, vor allem älterer Halden ist weltweit in Hohleabbaugebieten bekannt, dennoch gelingt es nicht immer dies zu verhindern. Die Ursachen für die spontane Selbstentzündung können in der Oxidation von Fe-Sulfiden, aber auch in der Art der Schüttung und letztendlich der Oberfläche der Kohlereste liegen.
Vereinfacht gesagt, grob geschüttet mit viel feiner lockerer Kohle und einen Haufen Pyrit garantiert eine spontane Selbstentzündung der Kohle. Diese Schwelbrände können enorm heiß werden (800-1000°C) und fressen sich langsam durch die Halde und halten Jahrzehnte an. An den "Schornsteinen" der Brandherde, also an Gasaustritten der Haldenoberfläche kristallisieren dabei eine Reihe exotischer Minerale, allen voran Salmiak und Schwefel.
Im Ruhrgebiet brennen menhrere Halden, aber keine so stark, das es zur Bildung von Mineralien kommt.
Eine Ausnahme war die Halde der Zeche Alstaden in Oberhausen. Diese brannte Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts so stark, das man Nachts von der A3 aus die blauen Schwefelflammen sehen konnte. Damals wurde recht viel Salmiak gesammelt (z:T enorme Stufen) aber viel ist auch in Kellern verrottet oder sonst wie verloren gegangen. Auf die seltenen Begleitminerale hat damals keiner geachtet. Glücklicherweise haben aber trotzdem einige Micromounts überlebt, sodaß ein Vergleich der Mineralien mit denen der brennenden Kohlehalde der Zeche Anna bei Alsdorf nahe Aachen möglich war. Und man kann sich vorstellen, wieviele Schätze dort einfach übersehen wurden...
Na ja, zum Schluß muss man auch hier die Frage stellen, ob das richtige Mineralien sind oder antropogene Bildungen. Ich meine das es richtige Mineralien sind, solange nur der Abraum betroffen ist. Verbrennen in den Halden allerdings Abfallprodukte des Bergbaus, dann sind die daraus entstehenden Mineralien sicher eine antropogene Bildung. Aber die Mineralien die beim Abraumbrand entstehen sind ja nicht entstanden weil der Mensch die Halde angezündet hat, sondern weil die Natur es so wollte. Die Handlung des Menschen war nur diese eben dort hin zu befördern.
Egal, mir sind diese Schätze wertvoll und wichtig.