Stau auf der A40

. auf der A40 in Fahrtrichtung Dortmund, Stau und zähfließender Verkehr auf ca. 60km Länge...
Solch eine Verkehrsmeldung hat es im Rundfunk nie gegeben, sie entsprach aber der Wahrheit. Nach den Schachtzeichen war für den Kulturbanausen erst einmal Ruhe. Soviel zum Jahr als Kulturhauptstadt. Dann häuften sich aber die Meldungen über das große A40-Event „Still-Leben“.

Totalsperrung der Autobahn von Duisburg bis Dortmund am Wochenende des 18.Juli für 31 Stunden. Zu, aus, nix mit mal eben schnell nach Bochum düsen...

Es gibt Ereignisse, die muß man erlebt haben, ansonsten weiß man wirklich nicht wovon man spricht. Und es gibt Erlebnisse, die prägen einen Menschen wie mich. Um ganz ehrlich zu sein, dieses A40-Event hat mich bis auf die Grundfesten erschüttert, im positiven Sinn.

Man stelle sich einmal vor, das eine der wichtigsten Verkehrsadern im Ruhrgebiet für einen ganzen Tag incl. der angrenzenden Nächte gesperrt wird. Die A40 ist die Pulsader der Region, undenkbar diese zu sperren. Und man stelle sich vor, das diese Autobahn nicht nur für ein paar Meter, sondern auf ihrer gesamten Länge vom Autobahnkreuz Duisburg-Kaiserberg bis nach Dortmund Innenstadt komplett aus dem Verkehr genommen wird. 60Km Stillstand! So, und jetzt spinnen wir einfach mal weiter. Alle zwischen den Autobahnspuren verkehrenden Strassenbahntrassen stellen ihren Dienst ein und wir stellen auf der gesamten Länge in einer Fahrtrichtung Tische auf an denen sich die Bürger der Region darstellen können. Alle paar hundert Meter ein Toilettenhäuschen und in regelmäßigen Abständen „Mampfbuden“.

Irrsinn, sagen sie.

Jau, genau! Trotzdem haben die Initiatoren diese Mammutaufgabe angepackt und umgesetzt. Auf der Fahrbahn von Dortmund in Fahrtrichtung Duisburg wurden die ca 20.000 Tische aufgestellt, richtig gelesen, zwanzigtausend! Jeden einzeln vom LKW nehmen, klipp, klapp und  hinstellen, zwanzigtausend mal. Und mir würde schon nach 10 die Puste ausgehen!
Jede Stadt hatte daher ihr Segment und konnte die Tische an allerlei Bürgergruppen vergeben. Ob es sich nun um einen Kleingartenverein oder nur einfache Freundeskreise handelte war egal, jeder konnten einen Tisch für ganz wenig Geld mieten um dort Party zu machen oder seinen „Verein“ vorzustellen. Das Ziel war das möglichst viele Besucher mit den „Ausstellern“ in Kontakt kommen und einfach einen schönen Tag haben. Die Gegenfahrbahn war für alles reserviert, was keinen Motor aber Räder hatte.

Als es in der Nacht zum 18.Juli los ging, war eine generalstabsmäßige Planung nicht zu übersehen. Binnen 6 Stunden wurden alle Tische aufgebaut. Die Polizei musste sämtliche Ausfahrten sperren usw.. Am morgen kamen dann all die Aussteller und bezogen ihre Plätze. Auf 60km Länge Jubel, Trubel, Heiterkeit.

All das habe ich verpennt. Als ich am 18.Juli so aus dem Fenster sah und mich daran erinnerte das ja heute der große Tag ist, bin ich einfach einmal losgefahren um mir anzuschauen was da los ist. Große Erwartungen hatte ich nicht. An einer mir gut bekannten Stelle (Auffahrt Aktienstrasse in Essen) suchte ich einen Parkplatz für mein Auto. Spätestens da hätte es Pling machen müssen in meinem Kopf. Alles was irgendwie ein Auto aufnehmen konnte was belegt. Ich denke die Stadt hat ihre Politessen, also die die ansonsten unbarmherzig Knöllchen verteilen, wohl zurückgepfiffen, denn hier hätte man auf 200m gut und gern 100 Knöllchen vergeben können. Auch die Polizei machte einen wenig an Barem interessierten Eindruck. Ich denke die waren vollauf mit der Beherrschung der Lage beschäftigt. Ok, ich fand also einen Platz, so halb auf dem Acker, halb auf der Straße. Und dann ging ich los. Und was man dort beobachten konnte, sucht Seinesgleichen. Dummerweise hatte ich meine Kamera zuhause gelassen, aber das Bild verschwindet nicht mehr aus dem Kopf. Die ganze Autobahn voll von Menschen. Soweit man schauen konnte nur People. Auf der Gegenspur tausende Fahrradfahrer. Mensch, wer hat die denn alle losgelassen. Die ganze Fahrbahn war voll mit Zweirädern. Es war lustig zuzuschauen. Mal ging es etwas zähflüssig vorran, dann standen da wieder hunderte rum und warteten das sich der Stau da vor Ihnen auflöste. Ich bin dann ein wenig auf die Autobahn gegangen und habe mich unter die Menschen gemischt. Unglaublich, aber alle waren freundlich, gut drauf und überall gab es etwas zusehen oder zu Quatschen. Alleine die Diskussionen an der Curry-Wurstbude wären es wert live gesendet zu werden, eben Ruhrpott-LIVE.

Ok, dachte ich mir, hier (ca. 5km von Essen-Stadtmitte entfernt) ist es etwas voll. Fährst Du halt mal in die City. Das ging gar nicht, da stapelten sich die Leute. Ok, dann eben in das Gebiet zwischen Gelsenkirchen und Bochum. Hier konnte man wenigstens 10m gehen ohne auf irgend jemanden aufzulaufen. Trotzdem, so weit ab vom Schuss soviele Leute, das war enorm.

Und das Wichtigste war die Stimmung die in der Luft lag. Waren die Schachtzeichen schon surreal, so war das hier nicht wirklich existent. Die Stimmung, oder neudeutsch das Flair, war so überraschend, das wenn man sich etwas Zeit genommen hat das ganze zu erleben, es einfach einen tiefen Eindruck hinterlassen musste. Es war kein Großevent, es war ein Volksfest im wahrsten Sinne des Wortes. Ich liebe mein Ruhrgebiet, und ich hasse es gleichzeitig. Aber an dem Tag wurde mir klar, warum das Ruhrgebiet eine ganz besondere Region ist. Das geschätzt eine Million Ruhries sich versammeln um gemeinsam einen Tag zu genießen ist an sich ein Unding. Aber die drei Stunden die ich in der Menschenmenge verbrachte, habe ich keine einzige aggressive Stimmung erlebt oder beobachten können. Was da geschah, war Unwirklich, da die Leute hier eher etwas streitbar sind denn gelassen freundlich.

Als alles wieder seinen gewohnten Gang ging, blieb dennoch dieses komische Gefühl etwas erlebt zu haben, was wirklich einmalig ist. Kein Protz, kein Glämmer, einfach nur Menschen wie sie sind...Kultur des Volkes!