Das „Vergessene Land"

Die Aktion „Schachtzeichen“ anläßlich der „Weltkultur-Hauptstadt 2010“
Ach was haben wir gejammert als bekannt wurde, das die Bürgermeister, der Kommunalverband und weitere Gesellen sich um die Veranstaltung der Weltkulturhauptstadt beworben haben. Theateraufführungen und Konzerte sollte es geben, Kultur eben auf hohem Niveau. Viel Geld für wenig Leute!

Und wie dumm haben wir drein geschaut, als das Ruhrgebiet sogar den Zuschlag bekommen hat.

Was aber erstaunt hat, war das die Planer der Kulturhauptstadt nun doch nicht die Bodenhaftung verloren haben. Hunderte Events, auch für den „Kleinen Mann“ und zwei Großereignisse, die eine ganz eigene Sprache sprechen.

Die erste Aktionen war dabei von größtem Interesse für alle, die ein wenig mit dem Bergbau verbunden sind oder waren, die Schachtzeichen. Auf freiwilliger Basis, und mit der Hilfe hunderter, wenn nicht tausender, Helfer wurde an jedem Standort einer Zeche ein Gasballon in den Himmel gelassen. Diese wurden Nachts sogar beleuchtet und zeigten jedem  an, wo einst eine Zeche gestanden hat. In aller Regel waren an den jeweiligen Plätzen auch Bergbauinteressierte vor Ort und zeigten in vielerlei Aktionen „ihren Pütt“. Ob es sich dabei nun um eine kleine Ausstellung handelte, oder einfach nur ein Plätzchen mit ein paar Leuten mit denen man sprechen konnte, das war egal. Es war einfach nur berauschend zu erleben, wieviele Leute heute noch mit dem Pütt, der Kohle und dem Ruhrgebiet verbunden waren. Nur ganz wenige Standorte wurden überhaupt nicht mit einem Schachtzeichen versehen, und an einigen wenigen waren keine Leute vorhanden. Das lag aber meist daran, das die Erinnerung an den Pütt verloren gegangen ist. Z.B. wurde auf der Zeche Ernestine in Essen zwar regelmäßig das Schachtzeichen gehisst, aber es war kein Zugang zu dem Schachtzeichen selbst vorhanden. Das lag auf einem Betriebsgelände, und der Betrieb hat zwar das Schachtzeichen erlaubt, aber keinen Zutritt von betriebsfremden Personen.

Umgekehrt haben sich die Leute an dem Schachtzeichen der Zeche Alma in Gelsenkirchen-Ückendorf enorme Mühe gegeben ihren, doch schon 1931 stillgelegten Bergbau zu dokumentieren. Sie bauten eine kleine Austellung mit allerlei Photos und Andenken auf. So einfach das auch war, so rührend war es auch. Dazu muß man wissen, das die Zeche Alma in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts mit der Zeche Reinelbe zusammengelegt wurde. Das war aber auch nicht von langer Dauer, denn die Zeche Reinelbe wurde anschließend von der Zeche Holland übernommen. Nur dadurch gab es überhaupt noch Leute, die mit der Zeche Alma etwas anfangen konnten. Einige alte Bergleute erzählten mir, das sie noch im Feld Alma „Kohle gemacht“ haben, aber sie seien über Holland eingefahren.

Die Bergleute im Ruhrgebiet verwenden fast nie das Wort Zeche, sondern nur den Namen des Bergwerkes, hier auch Pütt genannt. Man „fährt auf Consol ein“! Consol, da kannst du lange suchen bis man den Namen in einem Bergwerksverzeichnis findet. Bergleute sind mundfaul, also wurde aus Zeche Consolidation 3/4 eben einfach Consol, aus General Blumenthal wurde der General und ganz schwierig wird es bei Verbundbergwerken wie Prosper-Haniel. Der eine fährt auf Prosper ein, weil sein Schacht im Feld Prosper liegt, der andere auf Haniel, weil er auf der Hauptanlage unter Tage fährt. Und ein dritter kommt vom Lohberg, weil die Schächte der Zeche Lohberg in Dinslaken vom Verbundbergwerk übernommen wurden.
Das Schachtzeichen : ein beleuchteter Ballon, der bis zu 80m in die Höhe gelassen werden konnte. Davon gab es im Ruhrgebiet hunderte!!!
Das Schachtzeichen am Schacht 2 der Zeche Graf Moltke in Gladbeck!
Zurück zu den Schachtzeichen. Die Schachtzeichen waren ca. 3.7m große gelbe gasgefüllte Ballons, die an einem langen Kabel hingen. Das Kabel selbst war auf einem Anhänger mit einer motorisierten Trommel befestigt. Hunderte dieser Anhänger wurden angeschafft und die Leute daran geschult.

Eine ganze Woche dauerte das Event. Sobald es der Wind zuließ wurden die Ballons hochgelassen, den ganzen Tag über bis in die späte Nacht hinein. In den Kabeln war eine Stromzufuhr für die Beleuchtung der Ballons.

Gerade wenn man Nachts auf eine der hohen Halden krabbelte sah man im weiten Umkreis die Schachtzeichen im Himmel leuchten. Die ganze Szenerie hatte etwas surreales, war geradezu erfüllt von einer seltsamen Stimmung. Leider war das Event trotz der einen Wochen Dauer viel zu kurz. Ich bin herumgefahren und habe „Schächte gesucht“. Zuviele gab es davon, und an zuvielen Plätzen hat man sich verplappert. Und ich war warlich nicht der Einzige der das so gemacht hat.











Ganz schlimm wird es, wenn Mineralien herausgebracht werden. Oft passiert es dann, das der Schacht als Mineralienfundort angegeben wird, an dem der Bergmann ein- und ausfährt. Kurios ist ein Calcit in meiner Sammlung, der als Fundort Schacht Wulfen angegeben hatte. Das Stück ist aber eindeutig aus der Barytkluft der Zeche Recklinghausen. Da hat ein Bergmann wohl eine lange Anfahrtstrecke zu seinem Arbeitsplatz gehabt!!!
Blick vom Alpinzentrum in Bottrop mit Blick nach Norden, mäßger Wind. Die gelben eierförmigen Lichtkleckse oberhalb des Horizontes sind die Schachtzeichen. Einem Schachtzeichen ganz in der Nähe ist das Licht ausgegangen, es zappelt wie wild im Wind.
Vom gleichen Standort mit Blick gen Osten. 20 Schachtzeichen habe ich gezählt...plus ein paar denen das Licht ausgegangen ist bzw, die wegen dem Wind gar nicht hochgelassen wurden.